Ich hab mir eigentlich nie viele Gedanken darüber gemacht, ob meine Qualifikation für eine Selbstständigkeit reicht. Da meine Tätigkeit das freie Gewerbe betrifft, ist keine bestimmte Ausbildung erforderlich. Und die anderen Voraussetzungen (Darf ich das überhaupt?) sind mehr oder weniger automatisch erfüllt. Aber in den letzten Tagen habe ich mir einige Male die Frage gestellt „Bin ich qualifiziert genug für die Selbstständigkeit?“. Diese Frage bezieht sich vor allem auf die notwendigen Fähigkeiten. Habe ich diese?
Wie komme ich überhaupt auf diese Frage? Ich bin mal wieder unzufrieden mit meinem Stillstand. Es tut sich nicht viel. Dass ich mit diesem Stillstand unglücklich bin merke ich daran, dass ich mir Gedanken mache, ob ich mich weiterbilden soll. Eins führte zum anderen und plötzlich stellte ich mir viele Fragen. Bin ich qualifiziert genug, obwohl ich nicht alle Nähstiche kenne und beherrsche? Muss ich jede Stoffart und ihre Eigenschaften kennen um kompetent zu sein? Oder reicht es, wenn ich bei Bedarf nachlese was Leinen von Baumwolle unterscheidet und woraus Vlies hergestellt wird? Muss ich selbst ein Kind großgezogen haben um die Ansprüche unserer kleinen Mitmenschen zu kennen?
Bisher bezog sich meine Weiterbildung eher auf Learning by Doing – also, ausprobieren und wenns nix wird auf eine andere Art und Weise nochmal machen – sowie die Bitte um Rückmeldung, wenn eines meiner Produkte qualitativ nicht in Ordnung ist, damit ich es beim nächsten Mal anders/besser machen kann. Nachdem ich keinen Wert darauf lege Massenware zu produzieren, sondern gerne auf Wünsche eingehe und dadurch Einzelstücke herstelle, darf jedes Produkt anders sein. Das geht bei nicht-automatisierter Herstellung auch gar nicht anders. Manche Dinge (zB das Patterl) habe ich einfach so genäht, für anderes habe ich mir Anleitungen gesucht bzw in Form von Büchern geschenkt bekommen. Und da habe ich das erste Mal gemerkt, dass es viel mehr Nähstiche und -arten gibt als mir bewusst war.
Im Jänner habe ich mein erstes Kleidungsstück genäht – ein Leiberl. Für mich selbst. Es ist noch ungetragen, aber ich bin damit zufrieden. Ich benötigte jedoch eine Anleitung für die Anleitung. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich immer ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn ich das Nähbuch, das mir meine Mama geschenkt hatte, in der Hand hielt und mich daran erinnerte, dass ich es bisher kaum beachtet habe. Jetzt war ich froh, dass ich etwas zum Nachschlagen hatte. Fadenlauf, Steppen, Heften – teilweise ahnte ich, was dahinter steckt, war aber froh, dass ich in Mama’s Buch nachlesen konnte. Die größte Herausforderung war für mich aber das Abmalen des Schnittmusters bzw das Finden des richtigen Schnittmusters. Alle Schnitte des Buches waren kreuz und quer auf einem riesigen Blatt Papier, das doppelseitig bedruckt war, abgebildet. Noch dazu in verschiedenen Konfektionsgrößen. Es bestand also eine 50:50 Chance, dass ich zumindest die richtige Seite erwische. Erst als ich genügend Backpapier zusammengeklebt, den Schnitt abgemalt, ausgeschnitten und beschriftet hatte und bereit war das erste Stoffteil zuzuschneiden habe ich mich über die Form des Schnittmusters gewundert. Das soll mein Leiberl werden? Was soll ich euch sagen, bei genauerem Hinsehen hab ich die Beschriftung im unteren Eck der Schnittvorlage entdeckt. Mein Schnitt war auf der Rückseite – Seite B, abgepaust habe ich einen Schnitt von Seite A. Chancenauswertung mangelhaft! Immerhin war es ein Schnitt für ein anderes Leiberl und nicht etwa eine Hose oder einen Rock.
Um ehrlich zu sein ist der Wunsch, nebenbei auch etwas im Bereich „Texten“ zu machen, in letzter Zeit immer größer geworden. Meiner Suche nach einem Crash-Nähkurs zum Vertiefen meiner Kenntnisse folgte eine Suche nach einem Texterseminar/einer Texterausbildung. Ich würde gerne einige Grundlagen lernen – ein Fernstudium bzw eine andere Ausbildung, bei der keine/nicht oft Anwesenheit erforderlich ist wäre ideal, denn ich möchte nicht wieder monatelang regelmäßig meine Abende in Lehrsälen verbringen. Vielleicht gibt’s auch einzelne Module die man absolvieren kann. Abgesehen von der Zeit spielen nämlich auch die Kosten eine große Rolle. Bildung ist ganz schön kostenintensiv.
Es war auch das Texten, das mich eigentlich zu der Frage bezüglich ausreichender Qualifikation geführt hat. Auf diesem Gebiet bin ich mir noch unsicherer als beim Nähen. Umso schöner wär es gewesen, wenn ich von der Kochschule damals eine Rückmeldung erhalten hätte. Aber vielleicht sollte ich es weiterhin mit Probetexten versuchen und Meinungen einholen. Wo wir wieder bei Learning by Doing wären. Offenbar ist das das Richtige für mich. 🙂
Und wie hat mein Professor damals gemeint: Wissen ist, zu wissen wo Wissen zu finden ist. Auch wenn ich ihn nicht mochte, damit hatte er recht. Wenn es wo ein Wissensdefizit gibt, dann kann man nachschlagen. In Zeiten wie diesen ist die Recherche im Internet der erste Schritt und oft wird man da auch schon fündig. Ich möchte sowieso wieder etwas mehr lesen. Mein neues Buch habe ich letztes Wochenende an zwei Abenden fertig gelesen. Vielleicht nehme ich nächstes Wochenende die Unterlagen meiner Ausbildung wieder zur Hand und beginne damit, mein Wissensdefizit auszugleichen und etwas Selbstvertrauen zu erlangen. Und wenn ich vom Lesen genug habe werfe ich die Nähmaschine an und arbeite an meiner Nähtechnik. Apropos Nähtechnik, demnächst werde ich wieder eines meiner Projekte online stellen – selbstgemachte Hüllen für den Mutter-Kind-Pass. Der gelbe Standard-Umschlag mit der Kunststoffhülle mag zwar praktisch sein, ist optisch aber kein Highlight. Ihr dürft gespannt sein. 🙂