
Dass ein Kind das Leben verändert ist wohl jedem klar. Was sich dadurch aber wirklich alles ändert wird einem erst mit der Zeit bewusst. Wenn dann neben dem Kind auch noch ein Umzug mit im Spiel war, sind die Änderungen gleich nochmal um einiges umfassender.
Ja, ein Kind stellt das Leben auf den Kopf. Wie sehr, das merkt man allerdings erst, wenn es da ist. Und auch dann erst nach und nach.
Die ersten Wochen mit Kind sind sowieso eine Ausnahmesituation. Alles dreht sich um das kleine Geschöpf, für das man jetzt die volle Verantwortung trägt. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich mit dem Partner abends vorm TV über belanglosen Klatsch und Tratsch unterhalten hat. Plötzlich werden Dinge wie Stuhlgang des Kindes und getrunkene Milchmenge besprochen und Infos zu Milchpumpen und Schlafenszeiten gegoogelt.
Wenn der Alltag einkehrt
Nach ein paar Wochen hat sich das Ganze dann etwas eingespielt und Alltag kehrt ein. Damit ist man dann fürs erste ohnehin ausgelastet und froh, wenn das Baby zufrieden ist, das Stillen klappt und die Verdauung des Kindes problemlos funktioniert. Ist das der Fall, hat man nach zwei bis drei Monaten das erste Mal Zeit, sich Gedanken über sein aktuelles Leben zu machen. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem man feststellt, dass nichts mehr ist wie es war.
Seit Wochen läuft man ausschließlich in Jogginghosen herum, die Wohnung beherbergt in allen möglichen Ecken angespuckte Stoffwindeln und beim täglichen Versuch, das Baby in den Schlaf zu singen, stellt man fest, dass man bei vielen Kinderliedern nicht mehr textsicher ist. Hab ich heute schon meine Unterwäsche gewechselt? Gab es diese Woche schon eine warme Mahlzeit? Und wann hab ich eigentlich meinen Mann das letzte Mal umarmt?
Einiges hat sich bereits mit der Schwangerschaft geändert. Bei mir war die gravierendste Änderung, dass ich kaum mehr Sport gemacht habe. Müdigkeit und Übelkeit haben mir das Leben die ersten vier Monate etwas erschwert – da war an Sport nicht zu denken. Und danach war einiges zu erledigen und die Motivation für Sport sehr gering. Der Umzug und die Hochzeit mussten geplant werden, mein altes Auto hat mich im Stich gelassen (ich musste mich um ein neues umsehen und ich hasse Auto kaufen!) und noch ca. 50 andere Dinge waren zu erledigen. Es blieb kaum Zeit über die Veränderungen nachzudenken, die sich ganz nebenbei in mein Leben schlichen.
Was sich geändert hat
Bis zum Mutterschutzbeginn ging ich ganz normal arbeiten. Solange fühlte sich auch nicht vieles nach Veränderung an. Ja, mein Bauch wurde größer und ab dem 6. Monat war ich quasi auf Diät, aber ich war unter der Woche wie bisher in Wien und erledigte meinen Job. Einzig meinen Nebenjob musste ich leider aufgeben, da ich ihn aufgrund der Wehwehchen für mich nicht mehr zufriedenstellend erfüllen konnte. Durch die erschwerten Umstände in den ersten Monaten haben sich zusätzlich die Themen Sport und Stadionbesuche von meiner To-Do-Liste verflüchtigt. Ich fand es schade, war aber körperlich dazu einfach nicht in der Lage. Dafür habe ich jedes Wochenende das Auto vollgepackt und langsam begonnen meine Wohnung zu leeren. Man glaubt gar nicht, was sich in 10 Jahren so alles ansammelt und wie vollgepackt 55qm sein können.
Acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin ging ich in den Mutterschutz, zwei Tage später wurde geheiratet. Ja, da ging’s dahin. 🙂
Eine Woche später besuchten wir in Wien noch den Geburtsvorbereitungskurs und dann war sie auch schon gekommen – die letzte Nacht in der Wohnung. Bis auf die Couch und ein paar andere Möbelstücke und Kleinkram war die Wohnung bereits leer. Während mein Mann mit den letzten großen Möbeln schon am Weg nach Hause war, räumte ich mit zwei Freundinnen noch mein Auto voll. Danach setzten wir uns ins leere Wohnzimmer auf den Boden. Wir unterhielten uns und schauten gemeinsam die ersten Hochzeitsfotos an. Heute bereue ich, dass ich kein Foto von uns gemacht habe. Es war ein schöner Moment am Ende eines 10jährigen Lebensabschnitts – Danke dafür an euch beide (und auch ein großes Danke fürs Möbelschleppen)! Somit bleibt mir dieser Tag positiv in Erinnerung – ich war mir im Vorhinein sicher, dass ich ein paar Tränchen verdrücken werde, wenn ich in der leeren Wohnung stehe, aber ich ging mit einem Lächeln.
Die Tage danach war ich damit beschäftigt, das ganze Zeug in der Wohnung meines Mannes – ab sofort UNSERE Wohnung – unterzubringen. Und die letzten Wochen vor der Geburt habe ich zum Nähen und Schreiben genutzt und um meine Neffen zu besuchen.
Meine Neffen sehe ich seit dem Umzug öfter – das ist schön. Unser Kind wächst in einem kleinen Dorf auf – auch das ist schön. Ich bin ebenfalls am Land groß geworden und auch nach meinem Umzug nach Wien immer wieder gerne nach Hause gekommen. Für mich war das Leben in Wien aber kein „Muss“. Manche bleiben unter der Woche in Wien um den Arbeitsweg zu verkürzen. Sie unternehmen nichts und haben nicht viel Freude daran. Ich hingegen habe gerne in Wien gewohnt – ja, es gibt ehrlicherweise einiges, das ich vermisse.
Mit der Zeit merkt man, was man nicht mehr hat
Den Spar im Nachbarhaus zum Beispiel, zu dem ich sogar während des Kochens schnell gehen konnte, wenn ich spontan etwas benötigte. Die Nähe – zu einfach allem 😀 Ärzte, Einkaufszentren, Stadion und allem voran die Nähe zu Freunden. Die vielfältigen Sportmöglichkeiten, die ich zum Teil leider erst viel zu spät für mich entdeckt habe. Und auch die Anonymität. Ja, es ist schön wenn man seine Nachbarn kennt und sich auf der Straße grüßt. Aber ich habe es auch sehr genossen einfach rauszugehen und niemanden zu kennen. Kein gezwungener Smalltalk, keine neugierigen Blicke und keine Fragen.
Wie ich mit den Veränderungen umgehe
Freunde
Ein Treffen mit den Freunden erfordert nun etwas mehr Planung und ist nicht mehr ganz spontan möglich. Die Wege sind weiter und die Flexibilität durch das Kind natürlich eingeschränkt. Wir haben uns aber auch davor schon gerne einfach zuhause zusammengesetzt und waren nur mehr selten im Wiener Nachtleben anzutreffen. Und zuhause zusammensetzen klappt auch mit Kind ganz gut – auch bis spät in die Nacht. Lediglich der Nachhauseweg danach ist jetzt etwas länger. Trotzdem ist es mir wichtig, ab und zu nach Wien zu fahren und meine Freunde zu treffen – ich erwarte von meinen Freunden nicht, dass sie alle paar Wochen bei uns eintrudeln und ich nie zu Besuch komme. Einen Teil meiner Freunde kann ich praktischerweise auch im Waldviertel treffen, wenn Oma, Opa und Hund Sina besucht werden.
Ich merke besonders jetzt, dass mir der Austausch und die Treffen mit Freunden wichtig sind und gut tun. Sich darüber zu unterhalten was sich in ihrem Leben gerade tut oder Themen anzusprechen, die man zB mit der Familie nicht besprechen möchte – das will ich nicht missen. Eine kurze Auszeit vom Alltag!
Beziehung
„Na was hat sie erwartet?!“ werden sich jetzt manche denken. Mir war natürlich bewusst, dass ein Kind Einfluss auf die Beziehung hat. Aber auch hier gilt: so richtig geschnallt hab ich es erst, als plötzlich jede Nacht ein halber Meter Abstand zwischen meinem Mann und mir war. Einfach rüberrollen und meine kalten Füße unter seine Decke stecken war ab jetzt nicht mehr. Denn zwischen uns liegen 6kg pures Glück in Form unserer Tochter. Das möchten wir auch nicht mehr missen.
Umso wichtiger ist es, dass man dem Partner tagsüber bzw abends mehr Aufmerksamkeit schenkt. Das erfordert etwas Übung, denn man neigt dazu, dass man sich abends aus Gewohnheit vor den TV setzt und wortlos in sein Handy starrt (und in Internetforen Antworten auf Fragen wie „Wie viel Schlaf ist beim Baby normal?“ oder „Was hilft gegen wunde Brustwarzen?“ sucht). Das darf man auch weiterhin machen, aber zwischendurch sollte man sich auch Zeit zum Kuscheln nehmen und dem Partner sagen wie toll er ist!
Sport
Das Thema Sport beschäftigt mich seit einiger Zeit wieder etwas mehr. Das Sportangebot im ländlichen Gebiet ist vorhanden, aber geringer und nicht so vielfältig wie in der Stadt. Für mich sind Workouts zuhause natürlich ideal – ich war aber nie ein Fan davon. Einmal pro Woche fahre ich zum Beckenbodentraining. Das ist nett und sicher auch gut für den Körper, aber es fordert mich nicht ausreichend. Auch wenn ich dabei manchmal tatsächlich an meine Grenzen stoße.
Letztens standen Liegestütze auf dem Programm – in vereinfachter Form. Ich wählte die schwierige Variante, weil vor der Schwangerschaft ein paar Liegestütze am Stück kein Problem für mich waren. Und diesmal? Ich kam problemlos runter – das war’s dann aber auch. Nach oben schaffte ich es nicht mehr. Schnell habe ich mich umgesehen, ob diesen peinlichen Augenblick jemand mitbekommen hat. Die anderen Teilnehmer (allesamt 50+) waren aber zum Glück eh mit sich selbst beschäftigt (machten aber zum Großteil eine bessere Figur als ich in dem Moment…).
Ich war deprimiert. Dass ich so abgebaut habe hatte ich nicht mitbekommen. Der Wunsch nach mehr Bewegung bzw körperlicher Herausforderung wurde größer.
Laufen soll ich erst gehen, wenn das Beckenbodentraining beendet ist. Krafttraining ist zwar möglich, jedoch ist der Besuch im Fitnessstudio am Land (und mit Kind) nicht mehr ganz so einfach umzusetzen. Ich kann nur dann fahren, wenn jemand in der Zwischenzeit das Kind beaufsichtigt. Dabei müsste ich berücksichtigen, dass ich nicht zu lange weg bin, da ich noch voll stille. Hinzu käme jetzt eine längere Wegzeit. Das alles verursacht bereits innerlichen Stress, wenn ich nur darüber nachdenke.
Es bleibt also vorerst tatsächlich nur Sport zuhause. Ich habe zwei Wochen regelmäßig Übungen mit dem Theraband gemacht – Übungen, die ich früher öfter gemacht habe. So richtig zufrieden war ich damit aber nicht. Durch Zufall habe ich ein Programm entdeckt, bei dem man sich die Sporteinheiten in Form von Videos frei einteilen kann. Der große Vorteil? Ich bin flexibel. Mal trainiere ich abends bzw nachts (ja, manchmal zieh ich mir um 23.15 meine Sportsachen an und lege los – mein Mann schwankt dann zwischen Bewunderung und Entsetzen), wenn das Baby bereits schläft, mal starte ich das Training direkt nach dem Stillen, während das Baby neben mir in der Wippe liegt und mir halb amüsiert, halb verwundert dabei zusieht, wie ich durch die Küche hüpfe, schwitze und meine mangelnde Kondition verfluche. Und mal kann ich eine Trainingseinheit gerade noch beenden, bevor das Baby lauthals auf die nächste Mahlzeit besteht.
Ich fühle mich seit dem tatsächlich ausgeglichener (was auch meinem Mann aufgefallen ist – offenbar hat sich meine Laune deutlich gebessert 😀 ) und habe auch regelmäßig einen Muskelkater – so gefällt mir das 🙂
Anonymität
Daran, dass man sich im Ort kennt, kann man schwer etwas ändern 😀 Es ist auch nichts grundsätzlich Schlechtes und meistens finde ich es auch ganz nett, auf der Straße ein paar Worte zu wechseln! Wenn ich aber keine Lust habe mich beim Spazieren gehen zu unterhalten oder bekannten Gesichtern zu begegnen, dann packe ich den Kinderwagen ins Auto und fahre mit dem Baby 10 Minuten in die nächste Stadt und gehe dort spazieren. Meistens verbinde ich solche Ausflüge mit Besorgungen – Lebensmittel kaufen, Windeln oder Stilleinlagen (die gehen mir trotzdem regelmäßig fast aus) besorgen oder Kleinigkeiten für den Haushalt holen.
Der Vorteil: ich lerne die Gegend etwas kennen. Schon in Wien und auch davor in der Stadt, in der ich 5 Jahre zur Schule ging und meine Matura machte, habe ich gerne zu Fuß die Umgebung erkundet. Viele Kilometer habe ich dabei zurückgelegt und alle möglichen versteckten Ecken und Gassen entdeckt. 🙂
Entfernung
Mit dem Auto bin ich in 10 Minuten in der nächsten Stadt, in 15 Minuten (vorausgesetzt die Sonntagsfahrer bremsen mich nicht aus) in einer etwas größeren Stadt und in 40 Minuten in einem großen Einkaufszentrum. Lebensmittelgeschäfte, Ärzte, Möbelhäuser und vieles mehr sind also nicht aus der Welt. Das sind alles Entfernungen, die ich mit dem Auto (und auch mit Kind) problemlos zurücklegen kann.
Ich muss mir nur angewöhnen (bzw noch etwas mehr darauf achten) Einkaufslisten zu schreiben. Es passiert regelmäßig, dass ich mir denke „Das brauch ich mir nicht aufschreiben, das merk ich mir schon“. Ich merk es mir nicht…
Ebenso kommt es (häufiger als mir lieb ist) vor, dass ich mir im Geschäft denke „Ah, das muss ich unbedingt mitnehmen – das hab ich jetzt schon ein paar mal vergessen zu kaufen“. Zuhause beim Einräumen stelle ich fest, dass ich mir die letzten fünf Mal das gleiche gedacht habe und jetzt schauen muss, wie ich die 10 Päckchen Linsen und die 7 Gläser Sugo am besten in unserem kleinen Abstellraum verstaue.
Veränderungen annehmen – oder ändern
Ich setze mich aktuell mit allen Veränderungen auseinander, die mir auffallen. Wie ich das mache? Ich denke beim Spazieren gehen darüber nach, ich schwelge in Erinnerungen und ich schreibe darüber. So mache ich mir selbst bewusst was sich alles geändert hat und ordne die Veränderung ein. Bin ich damit zufrieden? Wenn ja – dann freu ich mich, dass es so ist. Ich bin jetzt Mutter einer wunderbaren Tochter und habe einen Mann an meiner Seite, der mich bei allem unterstützt. Ich sehe den Rest meiner Familie regelmäßig und erfreue mich dienstags daran, gemeinsam mit meiner Mama meine zwei Neffen zu beaufsichtigen.
Wenn nein – was stört mich? Und was kann ich tun, damit es eine erfreuliche Änderung wird. Dazu zählt aktuell vor allem das Thema Sport. Ich habe eine Möglichkeit gefunden, um Sport zu machen und gleichzeitig für mein Kind da zu sein, wenn es mich braucht. Mit dieser Lösung bin ich zur Zeit zufrieden. Die Motivation ist aktuell sowieso noch einmal größer, weil ich ab Mitte Februar zum Babyschwimmen gehe – wäre schön, wenn ich mit meinem Körper bis dahin wieder etwas mehr im Einklang bin. (Anmerkung: an diesem Beitrag schreibe ich schon etwas länger – Mitte Februar ist da und das Babyschwimmen hat bereits begonnen. Die Begeisterung über meine aktuelle Form hält sich leider noch in Grenzen… )