
Die Vorstellung war romantisch und schön (heute nenne ich es naiv): ich sitze entspannt in meinem superbequemen Stillsessel, das Kind liegt ebenso entspannt in meinen Armen und schlürft genüsslich an der Brust. Die Realität sah anders aus…
Das Kind ist noch gar nicht richtig in der Welt angekommen, da wird es schon vor seine erste Herausforderung gestellt. Es liegt im Kreißsaal in Mamas Armen und soll am besten sofort an Mamas Brust nuggeln. Ich staunte nicht schlecht, als unser kleines Mädchen gleich wusste was zu tun war. Ein kleiner Einstein 🙂 Das stimmte mich zuversichtlich.
Stillen ist ganz einfach…glaubt man
Ich habe mir über das Stillen vor der Geburt nicht viele Gedanken gemacht. Mir war klar, dass ich das Kind ca ein halbes Jahr stillen werde – fertig. Dass es damit Probleme geben könnte war für mich nicht vorstellbar. Ja, es gibt genügend Frauen die ihre Kinder aus diversen Gründen nicht stillen. Für mich stand das Thema aber einfach nie zur Diskussion.
Dass das Kind sofort nach der Geburt wusste worum es geht hat mich in meiner Einstellung nochmal bestärkt. Die Ernüchterung kam dann aber tags darauf. Die ersten 24 Stunden hat das Baby Narrenfreiheit und darf tun und lassen was es möchte. In den meisten Fällen ist das schlafen. Danach sollte es aber anfangen Nahrung zu sich zu nehmen. Da kamen wir zu Herausforderung Nummer eins: das schlafende Baby wecken. Genau wie Mama und Papa, wenn sie sehr müde sind, ließen auch unser kleines Mädchen alle Weckversuche unbeeindruckt. Es war fast unmöglich sie wach zu kriegen und vor allem auch wach zu halten.
Konnten wir das Kind dann doch irgendwie aus dem Schlaf holen, stand bereits die nächste Hürde bevor – das Anlegen. Ich war damit ehrlicherweise schwer überfordert. Aufgrund der dicken Einlagen und der Schmerzen durch die genähten Risse war es für mich eine kaum lösbare Aufgabe, eine Position zu finden, in der ich es halbwegs bequem hatte. Dann die nächste Frage: wie und wo positioniere ich das Baby am besten? Und schließlich musste noch möglichst viel Brust zwischen die winzig kleinen Baby-Lippen. Viele Fragezeichen in meinem Gesicht. War es dann geschafft, konnte ich anfangs nur dabei zusehen, wie das Baby an meiner leeren Brust nuggelte und nach kurzer Zeit wieder in den Tiefschlaf sank. Nicht ganz das was ich mir vorgestellt hatte.
Die Milchbar ist eröffnet
Der Milcheinschuss kam nach zwei Tagen – mit voller Wucht. Meine Oberweite explodierte förmlich. Der kleine Kopf des Kindes wirkte nun neben der riesigen Brust noch kleiner als zuvor, was das Ganze nicht unbedingt vereinfachte. Jeder Stillversuch verursachte bei mir einen Schweißausbruch (dass es im Krankenhaus gefühlte 38 Grad Innentemperatur hatte trug unter Umständen auch noch dazu bei). Wenn ich nach einer halben Ewigkeit eine annehmbare Position für mich und das Kind gefunden hatte, benötigten wir zahlreiche Versuche, bis die tropfende Brust im Mund des Kindes verschwand. Meine Brustwarzen nahmen es mir schnell übel und schmerzten.
Freud und Leid in den ersten Tagen
Da das Baby zu viel an Gewicht verlor (logisch, wenn man zwei Tage an der leeren Brust rumlutscht) musste die Nahrungszufuhr verschärft werden. Einen Tag und eine Nacht musste ich alle drei Stunden versuchen das friedlich schlummernde Kind zu wecken, an die Brust anzulegen und danach noch mit dem Fläschchen zufüttern. So wurde das Gewicht zum Glück wieder mehr und der Entlassung aus dem Krankenhaus stand nichts im Wege.
Durch das viele (und auch sehr laienhafte) Anlegen waren meine Brustwarzen bereits nach kurzer Zeit stark in Mitleidenschaft gezogen – das Baby hatte gute Arbeit geleistet und beide Seiten wund genuggelt. Die Gewichtszunahme verlief zudem sehr schleppend. Zwischendurch wurde es sogar wieder weniger. Die Hebamme gab bei ihren regelmäßigen Besuchen ihr Bestes und versorgte uns mit allerhand Tipps und Tricks. Um das Gewicht wieder zu steigern musste ich leider auch zuhause zwischendurch zufüttern. Da zum Glück auch viel Muttermilch vorhanden war, die das Baby nur leider nicht sehr effizient raussaugte, pumpte ich zusätzlich ab. Schnell wurden wir Besitzer einer elektrischen Milchpumpe. Das Pensum hätte ich mit der geliehenen Handpumpe niemals geschafft ohne mir eine Sehnenscheidenentzündung zuzuziehen.
Es folgten ein paar sehr intensive Tage: Baby an die Brust – abgepumpte Milch zufüttern – Babynahrung zufüttern – für die nächste Mahlzeit abpumpen – alle notwendigen Utensilien reinigen. Das Ganze alle drei Stunden. Bis ich mit allem fertig war konnte ich fast schon wieder von vorne beginnen. In den ersten 2 Wochen schlief ich kaum, entdeckte dafür zwischendurch sehr oft Parallelen zwischen mir und einer Milchkuh.
Auf der Suche nach Lösungen
Ich hatte auch weiterhin damit zu kämpfen, die richtige Stillposition zu finden. Und das Anlegen kostete zwischendurch einiges an Überwindung, weil die offenen Brustwarzen ziemlich schmerzten. Luft und Sonne sollen zur Heilung beitragen. Aber ich kann im September (und eigentlich auch das restliche Jahr) nur schwer oben ohne auf die Straße gehen. Meine Kompromisslösung war, dass ich in der Wohnung einfach den BH wegließ. Ich weiß nicht wie viele Liter Milch ich in dieser Zeit vertröpfelt habe. Auf meine T-Shirts, meine Hosen, den Fußboden, die Couch, das Bett, das Kind…nichts blieb in meiner Nähe trocken. Mein Mann rückte regelmäßig mit dem Wischmopp aus, um den Laminatboden von unzähligen eingetrockneten Milchtropfen zu befreien.
Der Tiefpunkt in dieser Zeit – und auch der erste von einigen emotionalen Tränenausbrüchen – kam nach zwei Wochen, als das Baby plötzlich beim Stillen die Brustwarze nicht mehr fassen konnte/wollte, die Geduld verlor und mich eine geschlagene dreiviertel Stunde anschrie. Verzweiflung und das Gefühl versagt zu haben machten sich breit. Alle Versuche, daran etwas zu ändern (andere Positionen, vorher kurz an die Milchpumpe um den Milchspendereflex auszulösen, Stillhütchen…), haben nichts gebracht. Ich sah mich bereits abstillen…
Augen zu, Zähne zusammenbeißen und durch
Die nächsten Tage haben wir unsere Routine etwas geändert und das Baby bekam vor der Brust bereits das Fläschchen. So konnte der erste Hunger gestillt werden und sie war beim Anlegen an die Brust etwas ruhiger. Einfach war es trotzdem nicht, denn ich habe offensichtlich eine kleine Schnappschildkröte geboren. Ich muss bei den ganzen Tipps, wie man ein Baby dazu motiviert, den Mund fürs Stillen zu öffnen, immer schmunzeln. Bei mir macht sich regelmäßig die Angst breit, dass sie mir mit ihren ungeduldigen und schnappenden Bewegungen versehentlich die Brustwarzen abbeißt. 😀
So haben wir uns die weiteren Tage also durchgewurschtelt. Beim Anlegen an die Brust musste ich mich aber immer ordentlich zusammenreißen. Sobald sie trank war es erträglich, aber das erste Ansaugen und die unzähligen Schnapp-Fehlversuche, bis die Brust endlich halbwegs gut im Mund war, waren sehr schmerzhaft.
Ich habe stundenlang im Internet recherchiert, wie andere Mütter mit diesen Problemen umgehen, habe die seltsamsten Stillpositionen ausprobiert, habe geweint und zwischendurch sehr oft gezweifelt. Mein Mann hatte es nicht leicht mit mir in dieser Zeit. Trotz allem hat es sich gelohnt dran zu bleiben und die Hebamme sollte recht behalten: sobald die Kleinen ihr Geburtsgewicht wieder erreicht haben geht es bergauf. So war es auch bei uns! Seit bald zwei Monaten stillen wir zur Gänze – ohne zufüttern und abpumpen. Seit letzter Woche ist nun auch endlich die zweite Brustwarze ganz verheilt – nach 10 Wochen! Viel Salbe und eine Auflage, die verhindert hat, dass die offene Stelle immer an der Stilleinlage anklebte, haben es schlussendlich gerichtet.
Und warum das Ganze?
Ja, wenn man das so liest kann man sich schon mal fragen, warum man sich das antut. Mit den heutigen Möglichkeiten kann ein Kind auch überleben und gut genährt werden ohne dass es gestillt wird. Ich wäre jedoch sehr traurig und enttäuscht, wenn es bei uns tatsächlich nicht geklappt hätte.
Für alle, die überlegen ob sie überhaupt stillen sollen oder jene, die bei ihrer Suche nach Tipps für eine rasche Heilung ihrer wunden Brustwarzen gerade über diesen Beitrag gestolpert sind, möchte ich die schönen Seiten des Stillens aufzeigen. Denn es stehen einige – für mich überzeugende – Argumente auf der Pro-Seite:
- Es ist praktisch! Mops raus – Kind dran – Warten – Kind weg – Mops rein (je nach Kind ca. zwischen 4 und 20 Mal am Tag 😀 ). Man muss sich keine Gedanken über die richtige Babynahrung oder die richtige Temperatur machen oder darüber, wie man unterwegs an warmes Wasser kommt.
- Es ist ein intimer Moment zwischen Mutter und Kind! Wenn sich das kleine Kind an einen kuschelt, mit großen Augen schaut (und manchmal kurz darauf plötzlich ins Milchkoma fällt) und sich mit seinen kleinen Händen und Fingern an Mama festhält, dann ist es ein wunderschönes Gefühl.
- Es entschleunigt! Je nachdem wie groß der Hunger ist und wie geduldig das Baby trinkt, dauert das Stillen bei uns zwischen 25 Minuten und einer Stunde. In dieser Zeit ist man an die Couch „gebunden“ und kann sich um nichts anderes kümmern. Ideal um runter zu kommen und einfach nur sein Baby anzuhimmeln (glücklicherweise haben wir das Süßeste von allen bekommen 😉 )
- Es hilft beim Fingernägel kürzen! Während das Baby seinen Hunger stillt begebe ich mich regelmäßig auf die Suche nach überstehenden Fingernägeln an Babies Händen und knabbere diese ab. Die Begeisterung des Kindes hält sich in Grenzen 😀
Auch wenn der Anfang schwierig war – das Baby zu stillen war für mich/uns definitiv die richtige Entscheidung 🙂
Eine Antwort zu “Stillen – die erste Geduldsprobe für frischgebackene Eltern”
Toll, dass ihr es trotz all der Startschwierigkeiten hinbekommen habt und du die Kraft hattest, dranzubleiben! Viele geben leider gerade in den ersten Wochen viel zu schnell auf. Oft ist fehlende oder falsche Beratung mit Schuld.
Es ist wirklich eine sehr intensive, anstrengende Zeit wenn so ein kleines Wesen einfach wirklich all die Kraft der frisch gebackenen Eltern fördert und man merkt erst durch so ein kleines Menschlein, zu was für erstaunlichen Kräften und was für unglaubliche Ausdauer man fähig ist!
Hut ab an alle Mamis! ❤️